03.08.2017 • Liebenswert (Германия)

ElenaPress

Patricia Kaas: “Der Applaus half mir, den Schmerz zu ertragen”

Die französische Sängerin Patricia Kaas (50) feiert beruflich Erfolge, doch privat musste sie schon viel durchmachen. Ein Burn-out und diverse Schicksalsschläge haben sie verändert – und stark gemacht.

Sie ist das, was man ohne Zögern einen Superstar nennen kann: Patricia Kaas ist eine der wenigen Künstlerinnen, die mit französisch gesungenen Liedern in ganz Europa Erfolg hatte. Seit mehr als 30 Jahren steht die Blondine auf der Bühne. Im Gespräch mit uns redete sie nun offen über ihr Burn-out, das Älterwerden und ihren Weg zu einem ganz neuen Lebensgefühl.

Sie waren lange nicht mehr in Deutschland und hatten nach Ihrer letzten Tournee ein Burn-out …

Patricia Kaas: In den zehn Jahren davor war emotional einfach zu viel passiert in meinem Leben, was ich niemals richtig verarbeitet hatte: mein Buch, in dem ich meine Lebensgeschichte aufgearbeitet habe (Anmerkung der Redaktion: Das Buch heißt ‘Mademoiselle singt den Blues: Mein Leben’). Der Film, in dem ich eine Mutter gespielt habe, die ihr Kind verloren hat (Anmerkung der Redaktion: ‘Der Preis des Todes’ von 2012). Das Piaf-Programm war alles andere als einfach. Und dann habe ich auch noch meinen Bruder verloren … puh … Es war alles zu viel!

Wie fühlen Sie sich heute?

Der Zusammenbruch hat mir viel Gutes gebracht. Ich habe heute einen viel besseren Blick auf mich selbst. Ich bin viel lockerer geworden. Meine neue Sichtweise hat mein Leben komplett verändert. Ich denke, das spürt man auch in den Liedern, die ich heute singe. Ich würde heute sogar behaupten, es wäre gut gewesen, wenn mir das Burn-out schon zehn Jahre früher passiert wäre. Es ist schwierig, eine solche Phase zu durchleben. Ja, es ist wirklich die Hölle. Aber wenn man raus ist, fühlt man sich einfach “Wow!”. Mein Leben ist kein anderes, aber ich sehe es anders. Es ist, als ob ich jetzt erst wirklich die Augen geöffnet hätte.

Haben Sie es allein aus Ihrem Seelentief geschafft?

Ich hatte Hilfe. Ich habe eine Therapie gemacht, musste Tabletten nehmen. Ich war fast sechs Monate lang in Behandlung. Ich habe einen kämpferischen Charakter. Ich bin niemand, der sich hängen lässt. Ich wollte da wieder raus! Ich wollte meine alte Stärke zurück!

Gönnen Sie sich heute mehr Ruhe und Freizeit?

Das könnte ich. Aber ich liebe, was ich tue. Auf der Bühne zu stehen ist nicht nur mein Job, es ist meine Leidenschaft. Ich habe mein Leben so aufgebaut, dass mein Publikum ein Teil davon ist. Ohne das Publikum würde ich mich wahrscheinlich doch einsam fühlen. Ich bin eigentlich immer unterwegs. Es ist schwierig, Freundschaften zu pflegen oder permanent Kontakt zur Familie zu halten. Ich habe eine Menge geändert nach dem Burn-out – aber es ist immer noch nicht genug. Ich habe beispielsweise mein Haus in Zürich verkauft. Ich besitze seit elf Jahren eine Wohnung in Paris, die ich ebenfalls verkaufen möchte. Ich suche nach einem Neuanfang. Vielleicht verlasse ich sogar Paris – ich weiß es noch nicht.

Welche Rolle spielt das Alter bei diesen Entscheidungen?

Ich bin jetzt 50. Vielleicht kann ich noch 15 oder 20 Jahre auf der Bühne stehen. Ich fühle mich nicht mehr wie mit 20 oder 30, wo man denkt, das Leben liegt noch vor einem. Ich habe eine Menge hinter mir, viele Erfahrungen gemacht. Natürlich stelle ich mir selbst heute andere Fragen als früher.

Die 50 war also eine Schwelle?

Ich muss gestehen, dass mir der Gedanke an die 50 anfangs gar nicht so gut gefiel. Aber jetzt habe ich ja wieder eine Weile Ruhe bis zum nächsten runden Geburtstag (lacht). Ich war lange nicht mehr so gut wie heute – insofern freue ich mich über die 50.

Sie haben mit Anfang 20 Ihre Eltern verloren …

Ja, ich war sehr jung, als ich meine Eltern verloren habe. Ich bin lange Zeit vor dem Schmerz davongelaufen. Da waren zwei Menschen, die mir so sehr gefehlt haben – der Applaus des Publikums hat diesen Verlust ein wenig aufgefangen. Ich habe mich getragen und beschützt gefühlt – wenn auch anders als von einer Mutter. Der Applaus hat mir geholfen, den Schmerz zu ertragen. Ich war immer fest davon überzeugt, stark zu sein. Ich dachte, meine Schultern seien breit genug, um den Tod meiner Mutter, meines Vaters und meines Bruders zu tragen. Eines Tages musste ich feststellen, dass es nicht so war. Ich war müde. Ich habe gemerkt, dass ich es nicht allein schaffe, sondern eine Schulter zum Anlehnen brauche. Ich musste lernen, mich zu trauen, diese Schwäche auszusprechen. Das konnte ich früher nicht.

Hatten Sie vorher das Gefühl, immer stark sein zu müssen, weil man es von Ihnen erwartet?

Ja, und das hat sicherlich auch mit meinem familiären Hintergrund zu tun. Mein Vater war Bergarbeiter. Meine Mutter hatte sieben Kinder. Beide waren immer stark. Es wurde von mir erwartet, dass ich mich nicht beklage und mich allein durchkämpfe. Alle sagten nur: “Schau doch, was für ein wundervolles Leben du hast.” Aber so einfach ist das nicht.

Sind Sie heute ganz bei sich angekommen?

Das weiß ich nicht. Das Leben steckt schließlich voller Überraschungen. Ich bin zufrieden. Das Einzige, was mich noch stört, ist, dass ich lernen muss, noch öfter Nein zu sagen. Das fällt mir immer noch schwer. Ich bin auf jeden Fall auf einem guten Weg.

Können Sie Ihr Leben heute mehr genießen?

Ja, ich konnte lange all das Positive und Schöne, was mir widerfahren ist, gar nicht richtig genießen, weil immer etwas Dramatisches passierte. Ich versuche heute, mein Leben mehr zu genießen und die schönen Momente zu erkennen. Ich lächle heute viel mehr als früher. Ich mache mir weniger Stress und bin wesentlich lockerer.

Sie haben sich zum 50. Geburtstag Ihr erstes Tattoo stechen lassen …

Ja, ein Tattoo über den ganzen Rücken. Es symbolisiert meinen Neuanfang im Leben! Für mich fühlt sich alles an wie eine Neugeburt. Es ist ein kleines Mädchen. Es sieht ein wenig aus wie ich – es ist sehr, sehr schön geworden.

Hier ist die Sängerin übrigens gerade mit ihrem aktuellen Album ‘Patricia Kaas’ auf Tour:

19.8.2017, Klosterhof Wiblingen, Ulm
20.8.2017, Monschau Festival, Monschau

Tickets gibt es unter der Hotline mit der Telefonnumer 01806/57 00 70.

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