03.03.2017 • Männer (Германия)

ElenaPress

“Natürlich bin ich für die Eheöffnung”

Patricia Kaas nimmt im MÄNNER-Interview kein Blatt vor den Mund

Frau Kaas, gab es in Ihrer Karriere einen Schlüsselmoment, in dem Sie erkannt haben, dass Sie eine Schwulenikone sind?

Na, ich habe es ja mit meinen eigenen Augen gesehen. Wer meine Platten kauft, kann ich nicht genau sagen, obwohl auch das durch Internet und Facebook immer nachvollziehbarer wird . Aber bei meinen Konzerten stehen die Leute vor mir und ich sehe sie. Da ich im Familien- und Freundeskreis immer guten Kontakt zu Gays hatte, erkenne ich das schon. Ich weiß, dass Gays meine Musik lieben. Sie wird ja auch in Clubs gespielt und ich werde von Drag Queens imitiert. Ich habe das mal im „Chez Michou“ in Paris gesehen. Da hab ich gesagt: „Der Arme, der muss sich jedes Jahr eine neue Perücke kaufen, weil ich so oft meine Haare verändere“, aber ich empfand es als große Ehre. Es gibt so viele, viele Künstler. In einer Reihe mit Tina Turner, Liza Minelli und anderen, die imitiert werden, zu stehen, ist doch ikonisch.

Waren Sie schon mal auf einer schwulen Hochzeit?

Nein, da muss ich ehrlich sein, das nicht.

Aber haben Sie die französische Bewegung gegen die Ehe für alle verfolgt?

Ja, wie kann man das nicht verfolgen? Ich habe auch eine Petition unterschrieben, dass ich natürlich dafür bin, dass alle heiraten können. Ich verstehe nicht, wie es immer noch Leute geben kann, die das ablehnen. Das kann denen doch egal sein, ob da nun zwei Männer oder zwei Frauen oder ein Mann und eine Frau heiraten. Ich finde die Debatten über das Thema rückständig. Ich habe allerdings generell seit ein, zwei Jahren das Gefühl, dass die Welt sich zurückentwickelt. Ich glaube, das liegt an all diesem Kommunikationszeug. Nicht dass ich gegen Internet oder Telefone bin, aber ich finde, man lebt in einer Welt, wo die direkte Kommunikation mit den Leuten verloren geht, was letztlich zu einer Rückentwicklung statt einem Vorwärtstrend führt. Dabei gibt es politisch weiß Gott wichtigere Dinge zu regeln, als Leute zu behindern, die sich das Ja-Wort geben wollen.

Sind Sie von Haus aus liberal? Oder bringt das der Job im Showbiz mit sich?

Beides. Bei mir zu Hause war Homosexualität ja bereits ein Thema. Ich war die jüngste von sieben Geschwistern, zwei Schwestern und fünf Brüder. Zwei meiner Brüder leben heute mit Männern zusammen. Anfangs wurde darüber natürlich nicht so offen gesprochen. Ich bin ja nun auch schon 50 und vor 40 Jahren spürte man bei meinen Brüdern schon noch die Angst, unnormal zu sein und komisch angeschaut zu werden. Sie sprachen nicht viel über das Thema. Es war an mir, Barrieren zu durchbrechen und zu signalisieren, dass ich keine Probleme habe, über Beziehung und Sexualität zu reden. Überhaupt keine. Seitdem sind wir sehr offen miteinander.

Wie kam es dazu, dass Sie einen Song über die Hilfsorganisation Le Refuge gemacht haben, die sich in Frankreich junger Homosexueller annimmt, die von ihren Eltern verstoßen wurden?

Mein neues Album ist recht engagiert. Nicht unbedingt, indem es politisch auf den Tisch haut, aber ich singe über Themen, die mich emotional und persönlich berühren. Die französische Sängerin Jennifer ist Patin von Le Refuge. Über sie habe ich das Projekt kennengelernt. Ich war ehrlich gesagt überrascht, dass man so eine Organisation heutzutage noch braucht. So was gibt es heute noch? Eltern, die so weit gehen, dass sie sagen, du bist nicht mehr mein Sohn oder meine Tochter, weil du homosexuell bist? Das ist doch bestürzend. Aber ich finde es sehr toll, dass es einen Ort wie Le Refuge gibt. Et voilà, so kam es zu dem Lied.

Gab es schon Reaktionen?

Ja, natürlich. Für die Website von Le Refuge haben sie so ein Mannequin-Challenge-Video gemacht, das sie mit dem Song unterlegt haben. Sie sind sehr berührt, sehr froh und sehr überrascht. Ich hab mir auch vorgenommen demnächst mal bei ihnen vorbeizugehen. Aber ohne Kameras oder so. Einfach um mich auszutauschen und zu sagen, dass ich froh bin, dass ihnen das Lied gefällt. Aber dazu wird es wohl erst nach der Tour kommen.

Im Zusammenhang mit Ihren Live-Shows fällt oft der Begriff „Diva“. Können Sie sich damit identifizieren?

Wenn man das Wort als Ikone versteht, als jemanden, der ein Vorbild ist, finde ich das etwas Schönes. Aber es wird auch oft auf so puppenmäßige Figuren geprägt, die viel verlangen und extravagante Wünsche haben. Diese Definition würde mich sehr stören, denn das passt überhaupt nicht zu mir. Für meine neue Show hatte ich eine Mischung aus Haute Couture und Rock im Kopf. Ich hab nur immer Angst, dass das falsch verstanden werden könnte. Mir ist schon klar, dass ich keine Rocksängerin bin, und ich trage auch keine Haute Couture. Aber ich werde diesmal stark, meine eigenen Visionen einbringen, mehr Lieder singen, die ich auch privat höre. Zum Beispiel von Benjamin Clementine, Asav Avidan und Fink.

ZUR PERSON: Patricia Kaas, geboren 1966, wuchs deutsch- und französischsprachig in Lothringen auf. Ihr erster Hit war 1987 „Mademoiselle chante le blues“. 2009 vertrat sie Frankreich mit „Et s‘il fallait le faire“ beim Eurovision Song Contest. Nach zwei Cover-Alben („Kabaret“, „Chante Piaf“) enthält ihre neue Platte „Patricia Kaas“ (Foto) wieder Songs, die für sie geschrieben wurden. Bis Juni ist sie auf Tour.

CHRISTIAN LÜTJENS

Источник:
Männer